Ich bin Musik
Estelle und Enrico
„Verzieh dich, abscheuliches Schlammblut!“, war ein Spruch, der Estelle schon so oft an den Kopf geworfen wurde dass sie es nicht mehr zählen konnte. „Geh doch Klavier spielen. Was anderes kannst du ja eh nicht!“, Worte voller Abscheu, ausgesprochen von Menschen, denen Estelle eigentlich nie etwas getan hatte. Sie hatte bis heute, nach 5 ganzen Jahren Hogwarts, noch nicht verstanden warum sie sich so verhielten.
Improvisation war das, womit sich Estelle nun beschäftigte. Nirgends konnte Estelle so gut Schmerz und Trauer vergessen wie am Klavier. Ihre Hände glitten über die Tasten und jeder einzelne Ton hatte seinen Sinn. Dieses Lied hatte noch nie jemand zuvor gespielt und würde auch nie wieder genau so wieder erklingen, denn es war eine spontane Improviation gefüllt mit Melancholie und Trauer, aber auch Hoffnung. Vereinzelt liefen Tränen an den Wangen des Mädchens herunter, was ihr Spiel in keinster weise beeinträchtigte. Sie schienen ihr Spiel nur noch emotionaler zu machen. Keinerlei Dissonanzen waren zu hören, keine Harmonien die ansatzweise irgendwie Missgunst erzeugen konnten. Estelles Werk setzte durch und durch auf einen angenehmen Klang, der ein wenig an die Stimmung erinnerte, die aufkam wenn man an einem einsamen Strand stand. Keine lauten, störenden Geräusche, nur das sanfte Rauschen der Wellen. Man konnte zur Ruhe kommen und nachdenken.
Die Tür knarrte und schloss sich, man hörte dass man hier versucht hatte leise zu sein, dies aber schrecklich misslungen war. Dennoch merkte Estelle nichts, so sehr war sie in der Welt ihrer Musik versunken- in diesem Moment machte sie keine Musik. Estelle war die Musik. Anders lies sich das nicht erklären.
„Ciao stellina...“,sprach die Person, die reingekommen war mit liebevoller Stimme und setzte sich ungefragt neben Estelle. Das war nunmal Enricos Art- fragen tat er eigentlich nie. Außerdem sah er gerade ganz genau, wie es seiner Cousine ging.
Estelle zuckte zusammen und unterbrach ihr Klavierspiel. Vorbei war es nun mit der heilen Welt, die ihr die Musik gegeben hatte. Die Realität war wieder über die Italienerin hereingebrochen. Und es tat so weh. „Ciao Rico.“, sprach sie mit leiser Stimme. Sie wusste dass es Enrico war, ohne zu ihm hinzuschauen. Sie kannte seine Stimme, so voller Gefühl und Zuneigung. Und niemand sonst nannte sie Stellina, was übersetzt „Sternchen“ bedeutete. Es tat gut die Sprache ihrer Heimat sprechen zu können, das gab ihr das Gefühl zu Hause zu sein. In Otranto, dem Ort, der ihr so sehr am Herzen lag.
Der Ältere legte vorsichtig einen Arm um seine Cousine und zog sie einfach an sich. Er wusste dass Estelle jetzt jemanden brauchte, der für sie da war, nachdem sie wieder das Opfer von absolut verquerten Idealen einiger Slytherins geworden war. „Bastardo. Draco é uno bastardo.“, sagte Enrico mit einer Stimme, die erfüllt war mit Wut. Er spürte wie Estelle zusammenzuckte und musste ein wenig grinsen. Er wusste ganz genau was jetzt kommen würde.
Wie erwartet kam das: „Sowas darf man nicht sagen Rico!“ Der Dunkelhaarige drückte seine Cousine daraufhin nur an sich und lachte leise auf. „Du weißt... Ich sage, was ich will. Auf so einen wie Draco nehme ich dann erst Recht keine Rücksicht.“ Und da musste Estelle auch schon wieder ein wenig lachen. Zumindest kamen keine neuen Tränen mehr und ihr entwich ein leichtes Lächeln. „Aber trotzdem. Das gehört sich nicht.“ Enrico lies sich nicht auf eine Diskussion mit ihr ein.
„Hör zu. Höre nicht darauf, was jemand wie Draco, Faye oder wer auch immer zu dir sagt. Denke immer daran. Du darfst etwas genießen und Teil von dir nennen, von dem sie absolut keine Ahnung haben was für ein unglaubliches Geschenk das ist.“ Enrico musste nicht erklären, was er damit meinte. Die 2 verband etwas, was so unfassbar stark war, dass es sich kaum ein anderer wirklich vorstellen konnte. Sie liebten die Musik nicht nur. Sie waren die Musik. Und das war etwas, was sie ihr ganzes Leben lang begleiten würde, da waren sich beide einig. Und Draco.. Faye... all diese Zauberer, die über sie lachten, würden ihnen das nicht nehmen können.